_ Leibniz Projekt | Ulrike Grossarth

Leibniz Projekt

Berlin / Wien 2001

Sehr oft wurden Arbeiten durch geistesgeschichtliche oder kulturhistorische Themen ausgelöst.
Im Leibniz-Projekt von 2001 beschäftigte mich der Stellenwert, der dem Körper eingeräumt wird oder, besser gesagt: die Entwürfe, Konstruktionen und Vorstellungen von Körpern, die in abstrakten Weltmodellen  als „Übergangspotentiale“ dienen, und somit quasi Verkörperungen und Stationen in der Denkanlage sind.
 Ich bin fasziniert von den Gegenständen, die aus philosophischen Systemen stammend im populären  Informationswissen der Gesellschaft als Phantome herumgeistern: z.B.
 Kant’s Ding an sich  und die Leibnizsche Monade.
Wie weit reicht die Physis in das Konstruieren von ideellen Systemen und welche Form, Gestalt und Figur spielt dabei eine Rolle?
Zu diesen Fragen entwickelte ich  Repräsentanten unterschiedlicher Aggregatzustände von Körpern, die verschiedenen mentalen Feldern zuzuordnen sind.
Die Monade ist für mich insofern ein durch die Bedingungen der Wissenschaftssprache verbrämtes Spekulationsobjekt, einer der bemerkenswerten ‚Hilfskörper’, der das ausgewiesen leibfeindliche abendländische Denken begleitet.
Leibniz’ Verknüpfung der entgegengesetzten Begriffe Körper und Seele zu einer Einheit in einer von vornherein eingerichteten Übereinstimmung der sogenannten Prästabilierten Harmonie bedeutet für mich nicht die Aufhebung des Seele/Körper-Problems. Diese wiederum ideelle Spekulation bedeutet nicht das Überschreiten einer Grenze, die den Körper  als ein zu Raum und Zeit gehöriges Wirklichkeitselement wahrgenommen hätte, in dem integriert beides erfahren werden kann. Der Körper wird nur als Begriffseinheit genutzt und seine Dimensionen nicht weiter beachtet.
Der leibliche Zugang zur Welt ist verstellt.
Auf dem Portrait eines unbekannten Künstlers wirkt Leibniz selbst auf mich wie eine Allegorie der ,Prästabilierten Harmonie' - dunkel, der versteckt in ein glänzendes Gewand gehüllte Körper. Das blasse Gesicht und das auffallend fein ziselierte, gefaltete Halstuch, ein repräsentativer ‚Seelenhauch’, ein Zeichen des strukturierten Denksystems auf dem zum Stativ degradierten ‚Restkörper’.